Speaking Music

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Orchestermusik und Rap in liebevoller Rivalität

Die Basel Sinfonietta bot mit «Speaking Music» ein sperrig-fantastisches Programm. Verantwortlich zeichneten Raphael Urweider und Felix Profos.

Konzertplanung heisst. künstlerische Ideen in den Taschenrechner einzutippen, der darauf anzeigt wie gross und gut diese noch sind – und dann doch ein bisschen mehr wagen. Die Basel Sinfonietta zeigte in ihrem Konzert vom Sonntag im Basler Stadt-Casino beides: eine Idee. «Speaking Music», und den Wagemut, daraus eines jener furchteinflössenden Programme zu entwickeln, für das ihr Name steht. Um den Werksauftrag an den Dichter und Rapper Raphael Urweider und den Komponisten Felix Profos gruppieren sich Ausschnitte aus Bergs «Wozzeck», Vogels «Thyl Claes» und Schönbergs «Survivor from Warsaw» sowie ein Tape-Stück von Herbert Eimert. Wie um Himmels Willen kommt man auf dieses sperrig-fantastische Programm!

Ausgezeichnet eingestellt

Natürlich. Schönbergs und Bergs Sprechstimme wird schnell auftauchen, wenn man zum Thema des Sprechgesangs (wie sie der Rap darstellt) einmal durch die «klassische» Musikgeschichte spaziert. Auf die verschiedenen Techniken und Stimmungen dieser Stücke stellen sich Karl-Heinz Brandt und Wolfgang Newerla als Sprecher bzw. Solisten jeweils ausgezeichnet ein, wie auch die Sinfonietta unter der Leitung von Jonathan Stockhammer.

Etwas schwieriger dürften diese Umstellungen auf Zehn-Minuten-Häppchen für die Zuhörerschaft sein, gerade mit Blick auf das zwischen Berg und Schönberg geschobene Oratorium Wladimir Vogels und seines deutlich süsslicheren Stils. Gegen diesen müsste eine rhythmische und sprachliche Prägnanz vorgehen, die dem Orchester und namentlich dem Kammerchor Cantate Basel in dem vorgestellen «Thyl Claes»-Ausschnitt nicht durchwegs gelingen.

Bei Atombombentests verstrahlt

Herbert Eimerts Epitaph für Aikichi Kuboyama (1958/62) ist ein ergreifendes Tonbandstück «für Sprecher und Sprachklänge», aus der Grabinschrift eines japanischen Fischers komponiert, der 1954 bei Atombombentests verstrahlt wurde und starb. Es ist gewiss nicht restlos originell, aber von grosser «Wahrheit», und verkörpert neben seiner erschreckenden Aktualität auch so etwas wie das zweite Thema des Konzerts, das Bezeugen und Berichten von Überlebenden. Als Survivors präsentieren sich auch Rapper gerne. In «Real Fire» macht Raphael Urweider vor, wie man die eigene Familie überlebt: durch Träumen. «Mi Frou» oder «Mis Outo» heisst das dann in Urweiders Berndeutsch. Die Zusammenarbeit mit Felix Profos zeigt sich handwerklich, einfallsreich, solide in ihrem Resultat. Fast ein bisschen zu elegant rappen Urweider aka Bidrmaa und Nino Bürgi ihre Texte von den Notenpulten. Kleine witzige Momente bauen Komponist und Rapper auch gegeneinander ein: Während Urweider von den allgewaltigen Subwoofern seines Autos schwärmt, übertönt ihn das Orchester spielend.

Als Schluss-Überraschung bringen die am Education-Projekt der Basel Sinfonietta beteiligten Jugendlichen einen mit Black Tiger erarbeiteten Rap auf die Bühne. Und den beklatscht sogar das Abonnementspublikum mitgerissen.

André Fatton –
Basellandschaftliche Zeitung, 17.5.2011