Freiheit! Beethoven – Cage

Plakat_2007_S01

Freiheitliche Töne

Die «basel sinfonietta» mit Stücken von Ludwig van Beethoveb und John Cage in der Martinskirche

Zweierlei Arten freiheitlich geprägter Musik stellte die «basel sinfonietta» in ihrem Konzert zur Saisoneröffnung in der Martinskirche zur Diskussion.

Ein interessantes Konzertekonzept verfolgte Basels unternehmungslustiges Orchester zur Saisoneröffnung in der Martinskirche unter der Stabführung des Gastdirigenten Michael Hofstetter. Kann denn Musik freiheitliches Gedankengut bekunden, ohne dass gleich Gefangenenchöre intoniert oder Bekenntnisarien geschmettert werden? Sie kann und sie kann auch wieder nicht.
Wenn in der (leider ein wenig pauschal und auf Sicherheit musizierten) «Leonoren-Ouvertüre Nr. 3» Trompetensignale das Ende schmählicher Kerkerhaft verheissen, dann kann sich Beethoven auf die alarmierende, doch wenig konkrete Wirkung solcher Tonformeln verlassen. Konkreter nehmen sich da schon die edlen Humanitätsgedanken aus, die Solisten und Chorsänger im Finale von Beethovens sogenannter «Chorphantasie» jubelnd verkünden. Dies umso mehr, als der «gebundenen Rede» von Chor und Orchester eine von unbändigem Freiheitspathos erfüllte Klavierphantasie vorausgeht.
Dominik Blum, Improvisator aus Passion, liess als Klaviersolist diesen Vorgang musikalischer Entfesselung und Einbindung spürbar werden. Ein Aufgebot junger Sängerinnen und Sänger bewältigte mit Frische und Elan die vokalen Aufgaben (Musikakademie, Opernstudio, Studienchor Leimental).

Lebende Uhr. Gerade 50 Jahre alt ist John Cages einst so irritierendes «Concerto for piano and orchestra». Gut zwei Dutzend Musiker, den «Solisten» Dominik Blum eingerechnet, gehen hier völlig unabhängige Wege. Hofstetter verwandelt sich in eine lebende Uhr, die den lediglich mit freien Spielangeboten versehenen Musikern die nötige Zeitmarkierung bietet. Doch: Sind die Musiker bereits aus lästigem Zwang in die verlockende Freiheit entlassen, wenn sie ihr Spiel teilweise selbst bestimmen können, einsam inmitten des ausser Funktion gesetzten Orchesterkollektivs? Cages Initialidee dürfte – wieder einmal – stärker gewesen sein als ihr klingender Nachweis.

Fritz Näf und seine wohl präparierten Madrigalisten offerierten mit «Hymns and Variations» noch ein ganz andersartiges Cage-Opus: eine herbe, strenge «Restemusik» mit tonaler Patina, gewonnen durch rigide Aushöhlung ehemals kompletter Hymnensätze. Hörenswert!

Klaus Schweizer –

Basler Zeitung: 17.09.2007